Der folgende Text besteht aus Auszügen aus meinem im März 2023 erscheinenden Ratgeber „PRIESTESS – Gelebte Priester*innenschaft für moderne Hexen neu gedacht“
[…] Die meisten Hexen glauben zwar nicht an einen Gott, so wie man ihn aus den monotheistischen Religionen als einen von seiner Schöpfung getrennten Schöpfer kennt, aber trotzdem arbeiten viele Hexen mit Gottheiten. Wie unterscheiden sich diese Gottheiten von einem allmächtigen Schöpfergott? Die antiken Religionen sahen die Gottheiten vor allem in der Natur, als die mächtigen, aber nicht allmächtigen Geister, die Unterwelt, Erde und Himmel beseelten, als die Seelen von Sonne, Mond, Planeten, aber auch Gewässern, Bergen, Höhlen, Regen, Winden. Dabei hatten Sonnengottheiten nicht dieselbe Macht wie Mondgottheiten und Mondgottheiten nicht dieselbe Macht wie Unterweltsgottheiten. Die Sonne hat vollkommen andere archetypische Wirkweisen und Konnotationen wie beispielsweise der Mond. Später kamen immer mehr Gottheiten dazu, die nicht direkt mit Naturkörpern in Verbindung standen, sondern Herrscher*innen über abstraktere Lebensbereiche und Konzepte waren, wie z. B. Gottheiten des Handwerks, des Heims, der Jungfräulichkeit, des Glücks, des Schicksals etc. Sie waren und sind damit die Essenz und Personifikationen geistiger Energien, die angerufen und verkörpert werden konnten. Selbst die älteren Naturgottheiten verkörperten in ihrem Kern geistige Energien. Ihre natürlichen Körper waren nur ihre Abbilder. So herrschten Sonnengottheiten z. B. über Kraft, Erkenntnis, Weisheit und Fruchtbarkeit, die sich in dem hellen und warmen Schein der Sonne widerspiegelten.

Da Hexen mit geistigen Energien und ihren physischen Symbolen arbeiten, verwundert es nicht, dass viele Hexen auch mit Gottheiten arbeiten. Manche sehen diese Gottheiten als echte außerhalb ihrer selbst existierenden Kräfte und manche wiederum als projizierte Anteile ihrer eigenen Persönlichkeit. Getreu dem magischen Grundsatz „Wie innen, so außen“ haben beide Ansichten ihre Berechtigung. Die erfolgreiche Arbeit mit Gottheiten ist nicht davon abhängig, welche dieser Ansicht du vertrittst. Möchtest du eine moderne Hexen-Priesterin sein, musst du nicht unbedingt einer antiken Gottheit wie Isis oder Apollon dienen. Du kannst deine Magie in den Dienst einer geistigen Energie wie Liebe, Freundschaft, Kreativität, Schutz etc. stellen, denn das ist es, was Gottheiten in ihrem Kern sind. Gottheiten bieten jedoch den Vorteil, dass sie in ihrer Persönlichkeit komplexer sind als abstrakte Konzepte und das macht die Arbeit mit ihnen ebenfalls komplex, lebendig und bereichernd. Sie können zu echten und mächtigen Partnern werden, wenn man sich erstmal für diese Vorstellung öffnet. […]
[…] Enheduanna war – historisch belegt – die Tochter Sargons von Akkad, der 2356 v. u. Z. große Teile Mesopotamiens eroberte und die Akkadzeit einläutete. Sie ist durch ihre vierzig Tempelhymnen als erste dichtende Person der Menschheit bekannt. Schon als Kind wurde Enheduanna für ihre späteren Ämter als Priesterin des Himmelsgottes Anu und der Liebes- und Kriegsgöttin Ishtar in Uruk ausgebildet, bevor sie schließlich zur sogenannten Entu-Priesterin, der Hohepriesterin des Mond- und Staatsgottes Sins und damit des gesamten akkadischen Staats aufstieg. Der akkadische Mondgott Sin, besser bekannt unter seinem sumerischen Namen Nanna, war einer der ältesten mesopotamischen Götter. Als Mondgottheit wurde ihm nachgesagt, in die Zukunft schauen zu können und das Schicksal der Menschen nicht nur zu kennen, sondern auch zu lenken. Dadurch war er eng verbunden mit Magie und magischen Ritualen. Der Mond war außerdem der wichtigste Zeitanzeiger für die frühen Agrarkulturen, die nach dem Mondkalender arbeiteten. Sein Kult war daher stark mit Astrologie, Divination und Omendeutung verknüpft. Als Erheller der Nacht wurde er in der Rechtsprechung angerufen, um auch die Wahrheit zu erhellen. Als Hohepriesterin Sins stand nur noch Enheduannas Vater, der König, selbst über ihr. König Sargon war für die weltlichen Belange seines Volkes zuständig, während es Enheduanna und der restlichen Priesterschaft oblag, die Bedürfnisse und Wünsche des Volkes den Göttern zu vermitteln. So dirigierten sie durch astrologischen Berechnungen Saat und Ernte, und waren damit auch für die Ernährungsversorgung des Volkes verantwortlich. Auch deuteten sie Omina und waren dafür zuständig, das Abbild der Gottheit zu waschen und ihr Opfergaben darzubringen. Als Hohepriesterin des gesamten Staates, hatte Enheduanna eine hochpolitische Stellung inne, die sie noch vor dem König zu einem Knotenpunkt zwischen der Welt der Götter und der Menschen machte. Zwar sind auch Riten bekannt, bei denen der König während seiner Einsetzung symbolisch mit Ishtar, der Liebesgöttin, vermählt wurde, doch scheint dies keine weiteren priesterlichen Verpflichtungen nach sich gezogen zu haben. Als gottgleiche Gemahlin Sins war es jedoch Enheduannas Aufgabe, den Willen der Götter und des Volkes in beide Richtungen direkt zu überbringen. An ihrem Beispiel sehen wir die Essenz von Priester*innenschaft in der Mittlerfunktion. In ihrer Geschichte finden sich jedoch noch weitere wichtige Merkmale, die Priester*innen von Hexen und anderen spirituell Tätigen unterscheiden.
Zugangsvoraussetzungen

Während jede Person Hexe, Seherin oder Schamanin werden kann, solange sie den Willen und ggf. die Gabe dazu hat, ist eine weitere Definition von Priester*innenschaft, dass die Anwärter gewisse Zugangsvoraussetzungen erfüllen müssen. Als Hohepriesterin des Mondgottes Sin musste Enheduanna weiblich sein, denn nur so konnte sie in der Gesellschaft der Akkader als seine Gemahlin anerkannt werden und als menschliche Göttin den Menschen seine Botschaften überbringen. Auch aus anderen Kulten sind solche Zugangsvoraussetzungen bekannt. Die Priesterinnen der Artemis beispielsweise mussten ebenfalls weiblich und zudem jungfräulich sein, da Artemis selbst eine jungfräuliche und unabhängige Göttin war. Es konnte aber auch die körperliche Unversehrtheit oder die Abstammung aus einer bestimmten Familie eine Rolle spielen, abhängig von der Gottheit. Der Sinn dieser Zugangsvoraussetzungen lag darin, dass die Anwärter*innen sowohl geistig als auch körperlich einen Kanal für die individuelle Energie der Gottheit darstellten. Wenn dieser Kanal nicht für die Energie geeignet ist, fließt diese entweder gar nicht oder sie zerstört durch ihre Qualität den Kanal, wie wenn kochendes Wasser durch ein Papierohr fließt.
Heute spielen Zugangsvoraussetzungen keine solch große Rolle mehr, was daran liegt, dass spirituelle Priester*innenschaft eine Aufgabe ist, der man privat nachkommt. Es gibt keine offiziellen Tempel und Hohepriester*innen mehr, die die Zugangsvoraussetzungen der Anwärter*innen kontrollieren könnten und die – zugegebenermaßen – auch politisch und gesellschaftlich beeinflusst waren. Und doch kann es ratsam sein, sich mit den Zugangsvoraussetzungen für ein Priester*innenamt auseinanderzusetzen, bevor man sich einer Gottheit weiht, um herauszufinden, welche Art von Kanal die Energie einer Gottheit braucht, um sie fließen zu lassen. Frage dich, wie du geistig und evtl. auch körperlich beschaffen sein solltest, um diese Energien bestmöglich zu kanalisieren. Interessanterweise ist eine Balance aus derselben Energie einer Gottheit wie auch ein Gegengewicht ideal. Zum einen sollte deine eigene Persönlichkeit, die Energie der Gottheit unterstützen und verstärken können. Zum anderen aber solltest du innerlich so gefestigt sein, dass die Energie dich nicht vollkommen überwältigt.
Im Folgenden findest du einige verallgemeinerte Beispiele, die dir eine erste Vorstellung über Voraussetzungen geben können. Beachte jedoch, dass keine Gottheit einer anderen Gottheit gleicht, auch wenn beide z. B. Liebesgottheiten sind. Eine ausführliche Recherche und der persönliche Kontakt zu ihnen sind unabdingbar.
Sonnengottheiten

Sonnengottheiten wie Ra, Apollon oder Baldr werden mit Lebenskraft, Weisheit und Erkenntnis assoziiert, die das Licht der Sonne bringt. Besonders geeignet könntest du also sein, wenn du einen großen Wissensdurst besitzt, viel liest und viel Energie in dir trägst, die du an deine Mitmenschen weitergibst. Einer Sonnengottheit zu dienen bedeutet, oft im jeweiligen Pantheon auch der höchsten Gottheit zu dienen, was eine große Verantwortung mit sich bringt. Bist du ein Mensch mit einer gereiften und verantwortungsvollen Persönlichkeit wirst du die Energie der Sonne zum Wohle der Menschen einsetzen können. Körperlich kann eine gesunde, pflanzenbasierte Ernährung unterstützend wirken, sowie Sonnenbäder und das Tragen von hellen Farben.
Bist du nicht in der Lage, den Energiefluss einer Sonnengottheit auszuhalten, kann er über die Zeit zu Besserwisserei, Überheblichkeit und Größenwahn führen.
Mondgottheiten

Mondgottheiten wie Artemis oder Hekate werden mit der Intuition, der Magie des Unbewussten, Hellsichtigkeit und der Ebene der Emotionen assoziiert. Bist du ein intuitiver, vielleicht sogar hellsichtiger Mensch, der einen besonders emotionalen und hochsensiblen Zugang zur Magie besitzt, kannst du als Priester*in diese Energien kraftvoll verstärken. Du verstehst und liest deine Mitmenschen, ohne dass sie viel erklären müssen. Du fühlst ihre Emotionen und hast intensive Träume, die dir manchmal zukünftige Ereignisse zeigen, ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. Der Zyklus des Mondes beeinflusst dich mental, emotional und körperlich stark.
Bist du nicht in der Lage, den Energiefluss einer Mondgottheit auszubalancieren, kann er über die Zeit zu Illusionen, Realitätsflucht und emotionalem Kontrollverlust führen.
Erdgottheiten

Erdgottheiten wie Gaia, Pachamama oder Demeter besitzen einen starken Bezug zu Mutterschaft, Fruchtbarkeit und Wachstum, aber auf der anderen Seite auch zu Tod und Wiedergeburt. Du musst keine Mutter sein, um mütterliche und fürsorgende Persönlichkeitsanteile zu besitzen. Als Priester*in integrierst du außerdem die Fähigkeit, Menschen, Dinge und Situationen zu nähren und zum Wachsen zu bringen. Dir fällt es leicht, Gutes zu vermehren und den „Dünger“ toter Situationen als fruchtbaren Boden für neue Lebenssamen zu nutzen.
Bist du nicht in der Lage, den Lebensfluss einer Erdgottheit auszugleichen, kann er über die Zeit zu Gier, Kontrollsucht und Überfürsorglichkeit führen.
Unterweltsgottheiten

Als Priester*in für eine Unterweltsgottheit wie Hades, Persephone oder Hel besitzt du einen starken Bezug zum Tod und den Schattenseiten des Lebens. Du hast in deinem Leben transformative und oft schmerzhafte Erfahrungen gemacht, die jedoch wichtige innere Prozesse angestoßen und dir gezeigt haben, dass der Tod nicht das Ende, sondern das Tor zur Wiedergeburt ist. Hier fühlst du dich erfahren und weise. Außerdem findest du dich oft in extremen Machtgefällen wieder. Du bevorzugst die Dunkelheit und dunkle Farben.
Bist du nicht in der Lage, die Macht des Todes gesund auszubalancieren, kann der Energiefluss über die Zeit zu Depression, starken Süchten und Machtmissbrauch führen.
Liebesgottheiten

Möchtest du einer Liebesgottheit wie z. B. Venus oder Freya dienen, sollte deine erste Frage lauten: Bin ich offen für Liebe? Liebe ich mich selbst? Trage ich Liebe in meinem Herzen für meine Mitmenschen? Da diese Gottheiten oft auch einen Bezug zur Sexualität haben, solltest du dich in deiner Sexualität wohlfühlen. Größere sexuelle Blockaden deinerseits könnten ein Hindernis darstellen. Das heißt jedoch nicht, dass du nicht persönlich mit ihnen arbeiten kannst. Im Gegenteil – sie werden dir helfen, diese Blockaden zu beseitigen. Es bedeutet viel eher, dass es in deiner Funktion als Kanal schwieriger sein könnte, ihre Kraft in deine Mitmenschen fließen zu lassen, wenn du die Blockaden nicht löst. Der Bezug zur Sexualität ist auch der Grund, weswegen Liebesgottheit oft mit Krieg assoziiert werden. Denn Sex bedeutet Leidenschaft und Leidenschaft stellt ein hohes Maß an erobernder Energie dar. Einer Liebesgottheit zu dienen, bedeutet also nicht nur ein „lieber“ Mensch zu sein, sondern auch leidenschaftlich und entschieden für mehr Liebe zu kämpfen. Auch sind Liebesgottheiten oft Gottheiten der Schönheit. Unabhängig davon, welches gesellschaftliche Schönheitsideal du erfüllst oder nicht, wird es dir helfen, dich ihrer Energie zu öffnen, wenn du dich um deinen Körper kümmerst. Nimm regelmäßige Bäder, tue Haut und Haaren etwas Gutes, kleide dich auf eine Weise, durch die du schön fühlst. Finde deine individuelle Schönheit und zelebriere sie.
Gleichzeitig solltest du in der Lage sein, diese Energie zu halten und dich nicht von ihr hinfort schwemmen zu lassen. Denn dann kann ihr Energiefluss über die Zeit zu Dekadenz, Sex- und Bestätigungssucht und Selbstverliebtheit führen.
Kriegsgottheiten

Möchtest du einer Kriegsgottheit dienen, solltest du ein Mensch sein, der ein starkes inneres Feuer besitzt und weiß, wie man Menschen auf positive Weise überzeugt, erobert und motiviert. Wie im Falle der Liebesgottheiten heißt das ebenfalls nicht, dass du privat nicht mit Kriegsgottheiten arbeiten darfst, wenn du schüchtern und introvertiert bist, sondern dass du als priesterlicher Kanal in der Lage sein solltest, die feurige, kriegerische Energie der Gottheit nicht nur zu ertragen, sondern durch dein Wesen auch zu verstärken. Das ist selten der Fall, wenn deine Persönlichkeit dem entgegensteht. Körperlich kann es hilfreich sein, wenn du dich regelmäßig sportlich betätigst, deine Muskelkraft trainierst und dich mit anderen Menschen körperlich misst, im Kampfsport oder Teamsportarten.
Auch hier solltest du stark genug sein, um dich von dem Energiefluss einer Kriegsgottheit nicht überwältigen zu lassen. Denn dann kann sie über die Zeit zu Streitsucht, Gewalt und starkem Konkurrenzdenken führen.
[…]
Auf meinem Instagram-Account @geistundmagie halte ich dich über die Erscheinung meines neues Ratgebers auf dem Laufenden. Wirf bis dahin einen Blick auf meine übrigen Magie-Ratgeber oder schnuppere in meinen Online-Kurs „Geschichte und Grundlagen der Magie“ hinein. Interessierst du dich für eine spirituelle Lebensberatung bei mir schau bei meinen Services vorbei.